Demokratie 2.0 vs. "classe politique"

Jetzt sieht die politische “Elite” – manche sagen “classe politique” – aber Rot. Beim Stichwort “facebook” drehen sie schier durch. Wie konnte eine Gruppe nur völlig unbemerkt (von Bern) die Unterschriften für die Initiative gegen Biometrische Pässe zusammen bekommen? “Facebook” heisst die Antwort (welche die Herren wohl kaum kennen und vielleicht dank eines Beitrags der aktuellen Weltwoche nun etwas kennen lernen könnten – nur dumm, dass sie die Weltwoche aufgrund ihrer eingeschränkten Sicht nicht lesen). Besonders ängstlich ist Bundesvizekanzler Sigg:

Die Bundeskanzlei beobachtet, dass Referenden immer schneller zu Stande kommen – auch wenn nur ein virtuelles Komitee dahinter steht», erklärt Bundesratssprecher Oswald Sigg gegenüber 20 Minuten Online. Der Bundesrat habe deshalb die Bundeskanzlei beauftragt, ein Papier zu den «politischen Rechten im Internetzeitalter» auszuarbeiten. Mögliche Diskussionspunkte seien unter anderem die Erhöhung der Anzahl Unterschriften oder eine Verkürzung der Sammelfristen, so Sigg.

Quelle: 20min.ch

Der Bundeskanzler versteht wohl überhaupt nichts von dieser Sache, sonst würde er solche Aussagen nicht machen:

Diese Entwicklung habe niemand vorausgesehen – und kratzt an Grundwerten der Schweizer Demokratie. Sigg sagt: «Anonymität ist in der ursprünglichen Anlage der direkten Demokratie nicht enthalten.» So sei es theoretisch sogar möglich, dass ein Ausländer ein Referendum lanciert – worüber die Schweizer Bürger abstimmen müssten, weiss Oswald Sigg.

Frappant: Einmal mehr hat die Regierung die Entwicklung nicht vorhergesehen. Was sie wohl sonst noch alles verschlafen?

Dass ein Ausländer ein Referendum lanciern kann, ist selbst heute schon möglich. Unterschreiben müssen aber noch immer die Schweizer Bürger. Dies wird ja bei der Beglaubigung durch die Gemeinde sicher gestellt.

Für einmal gebe ich Bastien Girod recht, wenn er sagt, dass

schlussendlich das Thema an sich die Bevölkerung interessieren müsse – Internet hin oder her.

Ich bin gespannt, zu welchen demokratiefeindlichen Schritten die Landesregierung (ohne wirkliche Kenntnis der Sachlage) neigen wird. Es ist an uns, die Demokratie zu verteidigen und Hürden zu verunmöglichen. Ich werde meinen Beitrag dazu leisten. 😉

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1 Response to Demokratie 2.0 vs. "classe politique"

  1. Juri says:

    Viel Aufregung um nichts, würde ich sagen. Wenn jemand etwas an den politischen Rechten ändert, dann ist es das Schweizer Stimmvolk höchstselbst, denn dazu bedürfte es ja einer Verfassungsänderung.

    Abgesehen davon finde ich, ist eine Erhöhung der Unterschriftenzahlen durchaus eine Überlegung wert – nicht weil wir “plötzlich” Internet haben, sondern weil das Quorum über die Jahre hinweg wegen des Bevölkerungswachstums laufend abnimmt. Da die Mehrzahl der Initiativen in der Abstimmung schliesslich durchfällt, sind die meisten von ihnen eine Verschwendung von Steuergeldern, zumal das Instrument immer mehr auch zur Profilierung der Parteien in Wahljahren eingesetzt wird. Eine Erhöhung der Unterschriftenzahl würde dies erschweren, ohne dass “wahre” Volksanliegen deswegen verhindert würden (wenn eine Initiative die Abstimmung schafft, ist auch davon auszugehen, dass man dafür auch, sagen wir, 150’000 Unterschriften zusammenbringen würde).

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