Zehn Schein-Argumente gegen die Börsen-Panik

Spiegel Online will uns mit zehn schlagenden Argumenten vom Gegenteil der aktuellen Börsenpanik überzeugen. Auf den ersten Blick sehen diese Argumente tatsächlich gut aus, aber bei näherer Betrachtung fallen sie durch. Ich wage die Gegenargumentation:

  1. Der Dax steht immer noch recht gut da.
    Ob der Journalist auch das Kursbild unten konsultiert hat, als er dieses Argument geschrieben hat? Kursgewinne von zwei Jahren sind innerhalb weniger Tage weg. An diesem Punkt waren wir schon einmal im Dezember 2005… Ausserdem: Wer sagt denn, dass die Krise schon ausgestanden ist?

    Dreht der Index schon wieder? Wenn ich mir den Monats-Chart mit dem MACD-Indikator anschaue, dann dürfte – nach einer kurzfristigen Zwischenralley bis 6’500 – der grosse Knall uns noch bevorstehen (Quelle: Swissquote):
  2. Die wichtigsten Akteure der Weltwirtschaft sitzen immer noch in den USA und in Europa.
    Ja und? In welchen Ländern wächst die Wirtschaft wirklich? Welche Länder sind nicht übermässig verschuldet? Welche Menschen sind noch “hungrig” nach Erfolg und Aufstieg? Die Beurteilung mag statisch korrekt sein, dynamisch betrachtet fallen wir zurück.
  3. China ist noch längst nicht so stark wie die USA.
    …Aber China exportiert mehr als es importiert. Die Leistungsbilanz ist positiv (USD 272,5 Mia.). Auch hier wird wieder eine statische Grösse als Mass genommen, anstatt das Wachstum zu vergleichen. Man stelle sich nur mal vor, wie viel China noch wachsen kann, um das gleiche Wohlstandsniveau pro Kopf wie der Westen zu erreichen… Der Trend und das Potenzial machen es aus!
    In der Zwischenzeit verlieren die USA ihre Kraft und kommen den Chinesen in der Statistik etwas entgegen.
  4. Griechenland zahlte früher viel höhere Zinsen.
    Hier haben wir ja genau den Kern des Problems! Mit der eigenen Währung war es Griechenland früher gar nicht möglich, sich so massiv zu überschulden, ohne hohe Zinsen zu zahlen. Nicht das tiefe Zinsniveau ist “normal” für die Griechen, sondern das hohe!
  5. Gold ist real nicht im Wert gestiegen.
    Diese Aussage stimmt – fast. Bis etwa ins Jahr 2000 wurde Gold künstlich nach unten gedrückt (v.a. über Verkäufe von Notenbanken). Seitdem steigt der Preis wieder. Ob jedoch für den Vergleich die effektive Teuerungsrate herangezogen wurde, wage ich zu bezweifeln. Auf jeden Fall schliesse ich mich dem Fazit von Marc Faber an, der sagt, dass Gold heute günstiger ist als noch vor 10 Jahren. Aber müsste der Trend nicht gedreht haben, wenn die Krise schon vorbei ist?
  6. Der Schuldenstand der USA war schon einmal höher.
    Stimmt wirklich. Aber damals war die USA noch der grösse Kreditor der Welt. Heute ist die USA der grösste Debitor den die Welt je gesehen hat! Die Amerikaner haben ein Leistungsbilanzdefizit (Import > Export) und exportieren damit Kapital ins Ausland, welches im Inland für die Tilgung der Schulden gebraucht würde. Die Bedingungen sind also um 180° anders als damals.
  7. Der Absturz korrigiert einen übertriebenen Boom.
    Was hat denn den Boom ausgelöst? Ah, die tiefen Zinsen. Haben sich diese denn schon wieder “normalisiert”? Nein. Was wird dann korrigiert? Die Kapitalkosten haben sich für Unternehmen ja nicht verschlechtert!?
  8. US-Anleihen sind trotz der Herabstufung beliebt wie selten.
    HIER haben wir die Blase! Wieso soll jemand den USA für 30 Jahre (!) Geld zu läppischen 3,5% Zinsen ausleihen, wenn die echte Inflation bereits jetzt über 11 Prozent beträgt? Und wer kauft die Staatsanleihen? Ah, die Fed… Ein wirklich neutraler Marktteilnehmer…
  9. Die Welt ist weiter auf Wachstumskurs.
    In welchen Ländern? Der Vergleich ist etwa so passend, wie wenn man den durchschnittlichen Meeresspiegel der Erde misst, während am einen Ort ein Tsunami über den Strand fegt.
  10. Die Schuldenkrise könnte die politische Blockade der USA beenden.
    Stimmt – aber auf welche Seite?

Fazit:
Das sieht mir sehr nach Propaganda oder schlicht nach Unwissenheit aus. Als “Anlageempfehlung” würde ich hier keinen Rappen darauf wetten. Ich bleibe beim Gold.

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1 Response to Zehn Schein-Argumente gegen die Börsen-Panik

  1. Kurzsichtigkeit

    “Der Kurzsichtige ist selbstsüchtig, der Weitsichtige wird in der Regel bald einsehen, dass im Gedeihen des Ganzen der eigene Nutz am besten verankert ist.”

    Silvio Gesell (Vorwort zur 3. Auflage der NWO, 1918)

    Kurzsichtigkeit bedeutet, einer falschen Zinstheorie anzuhängen, die entweder unverdiente Knappheitsgewinne auf Kosten der Mehrarbeit anderer (Zinsen und Renditen) entschuldigt (klassischer Liberalismus) und daher gegenüber Ungerechtigkeit (Kapitalismus) blind macht, oder die Zinsen und Renditen nicht als Knappheitsgewinne versteht (klassischer Sozialismus) und daher den Privatkapitalismus mit Gewalt (Enteignung) bekämpfen will, was zwangsläufig zu Unfreiheit (Planwirtschaft) und noch größerer Ungerechtigkeit (Staatskapitalismus) führt.

    Den Kurzsichtigen fehlt die Einsicht, dass bei selbstregulativer (gewaltfreier) Beseitigung leistungsloser Kapitaleinkommen nicht nur alle Zivilisationsprobleme (und die “Finanzkrise”) ebenfalls eigendynamisch verschwinden, sondern auch ein ganz neues Zivilisationsniveau (Natürliche Wirtschaftsordnung = Marktwirtschaft ohne Kapitalismus) erreicht wird, das mit voller Berechtigung als der eigentliche Beginn der menschlichen Zivilisation anzusehen ist, weil verdiente Knappheitsgewinne aufgrund technologischer und kultureller Innovation nicht mehr durch unverdiente Knappheitsgewinne von Sparern, die sich für “große Investoren” halten, geschmälert werden.

    Wissenschaftlich korrekt und einander ergänzend sind allein die Erklärungen des Zinses als Urzins (S. Gesell, 1916) oder als Liquiditäts(verzichts)prämie (J. M. Keynes, 1935), die beide von einer Überlegenheit des Geldes (Dauerhaftigkeit bzw. Liquiditätsvorteil) gegenüber den Waren ausgehen. Also muss dem liquiden Geld diese Überlegenheit durch eine staatliche Liquiditätsgebühr auf alles Zentralbankgeld (Bargeld plus Zentralbankguthaben der Geschäftsbanken) genommen werden, um den Geldumlauf zu verstetigen und die Währung durch eine direkte Geldmengensteuerung absolut stabil zu halten, sodass der Warenaustausch schnell, sicher und billig erfolgt, ohne dass die Geldbesitzer einen ungerechten Vorteil gegenüber den Warenproduzenten oder Arbeitern haben.

    Wie eine solche konstruktive Geldumlaufsicherung technisch zu verwirklichen ist, war zur Zeit des “Auszugs der Israeliten aus Ägypten” noch unbekannt. Also musste die “Mutter aller Zivilisationsprobleme”, die alle Hochkulturen und Weltreiche in der Geschichte der halbwegs zivilisierten Menschheit zerstörte, zuerst aus dem Begriffsvermögen des arbeitenden Volkes ausgeblendet werden, damit das, was wir heute “moderne Zivilisation” nennen, überhaupt entstehen konnte. Das – und nichts anderes – war (und ist noch) der eigentliche Zweck der Religion. Nur ein außergewöhnliches Genie wie Silvio Gesell konnte sowohl den elementaren Fehler im “Geld, wie es (noch) ist” als auch das fehlerfreie “Geld, wie es sein soll” verstehen, ohne die Religion verstanden zu haben:

    http://www.deweles.de/willkommen.html

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