Mathematische Konkordanz im Bundesrat

Avenir-Suisse präsentierte vor wenigen Tagen “Ideen für eine Revitalisierung” der Konkordanz. Die Vorschläge von Michael Hermann gehen aber in die falsche Richtung. Es braucht weder ein “Vertrauensvotum” noch ein “Präsidialdepartement”. Was es braucht, ist eine der Parteistärke entsprechende Zusammenstellung des Bundesrates. Hier mein – mathematisches – Konzept:

  1. Als Grundlage dient der Wähleranteil der Nationalratswahlen.
  2. Pro 10% gibt es einen Bundesratssitz. 10% ist ausserdem die Eintrittshürde.
  3. Die Restmandate werden nach den höchsten “Einern” zugewiesen.

Was heisst das in der Praxis? Hier die Statistik des BfS:

Was hiesse das konkret für die letzten Jahre?

  • 1971: FDP, CVP und SP haben alle über 20% und damit Anrecht auf 2 Sitze im Bundesrat. Die SVP hat über 10% und damit Anrecht auf einen Sitz. Es gibt keine weitere Partei, die über 10% kommt. Damit ist der Bundesrat komplett:
    CVP: 2, FDP: 2, SP: 2, SVP: 1
  • 1975: FDP, CVP und SP haben alle über 20% und damit Anrecht auf 2 Sitze im Bundesrat. Die SVP rutscht unter die 10% Hürde und damit aus dem Bundesrat. Der letzte Sitz geht an die SP, da sie mit x4,9% den höchsten Einer-Wert aufweist.
    CVP: 2, FDP: 2, SP: 2+1, SVP: 0
  • 1979 und 1983 ist die SVP wieder zurück im Bundesrat mit einem Sitz.
    CVP: 2, FDP: 2, SP: 2, SVP: 1
  • 1987 und 1991 liegen SP und CVP unter 20% und verlieren damit vorerst einen Anspruch auf einen zweiten Sitz im Bundesrat. Nur dank der Einer können sie den zweiten Sitz behalten. Es bleibt damit bei:
    CVP: 1+1, FDP: 2, SP: 1+1, SVP: 1
  • 1995 wird es interessant: FDP und SP verteidigen die 20%-Hürde und haben Anrecht auf 2 Sitze. CVP und SVP haben erst einen Sitz auf sicher. Relativ knapp setzt sich die CVP gegen die SVP bei den Einern durch.
    CVP: 1+1, FDP: 2, SP: 2, SVP: 1
  • 1999 kommt es zum grossen Schnitt: SP und – zum ersten Mal – SVP haben zwei Sitze auf sicher. FDP und CVP haben nur einen und müssen in die Verlängerung. Die FDP setzt sich durch und gewinnt den letzten Sitz.
    CVP: 1, FDP: 1+1, SP: 2, SVP: 2
  • 2003 sieht es ähnlich aus: SP und SVP haben ihre zwei Sitze auf Anhieb. CVP und FDP nur einen einzigen Sitz. Die FDP ergattert sich nochmals – knapp vor der SVP – den letzten Sitz.
    CVP: 1, FDP: 1+1, SP: 2, SVP: 2
  • 2007: Die SVP holt als einzige Partei zwei Sitze für den Bundesrat. Für CVP, FDP und SP gibt es nur 1 Sitz. Damit sind zwei Sitze übrig für den zweiten Durchgang und hier holen sich SP und SVP einen zusätzlichen Sitz.
    CVP: 1, FDP: 1, SP: 1+1, SVP: 2+1

Was heisst das nun?

  1. Seit 1995 müssten – nach diesem Konzept – FDP und SVP die tonangebenden Parteien im Bundesrat sein. Sie verfügen über die Mehrheit mit je 4 Sitzen. Das sind sie aber in Realität nicht.
  2. Die CVP braucht sich seit 1999 nicht aufzuregen, dass sie nur noch einen Sitz im Bundesrat hat. Mehr liegt einfach nicht drin!
  3. CVP und FDP müssen sich warm anziehen, wenn sie ihren einzigen Sitz behalten wollen. Wenn sie in der nächsten Legislatur nicht die Kurve kriegen, liegen sie 2015 plötzlich unter 10%…
  4. Die SP zeichnet sich über alle Jahre durch Konstanz aus. Doch es zeigt sich auch, dass ein “+1” schon bald aufgebraucht sein kann.

Und was passiert 2011?
Selbstverständlich habe ich keine Kristallkugel. Doch anhand der Trends lässt sich etwa folgende Prognose/Annahme machen:

  1. Die SVP macht den Sprung über die 30% und hat Anrecht auf 3 feste Sitze. Sollte die SVP den Sprung über die 30% nicht ganz schaffen, geht der letzte Sitz dennoch an sie, weil niemand sonst einen so hohen Einer hat wie die SVP.
  2. Die SP liegt zwischen 15% – 17%. Das macht sicher 1 Sitz.
  3. CVP und FDP bleiben über den 10% und erreichen 12%-13%. Auch je ein Sitz.
  4. Und zum Schluss wären da noch die Grünen, die – ob aus eigener Kraft oder in Verbindung mit einer anderen kleinen Partei – die 10%-Marke knacken und knapp unter 11% zu liegen kommen. Macht auch einen Sitz.

Damit sind alle Sitze im ersten Anlauf verteilt und die Zusammensetzung präsentierte sich so: CVP: 1, FDP: 1, Grüne: 1, SP: 1, SVP: 3.

Ob sich die Linken da einig werden?

UPDATE 2015: Nach den Wahlen 2015 müsste es so aussehen: SVP 2+1, SP 1+1, FDP 1, CVP 1. (Der Sitz der Grünen geht an die SP)
UPDATE 2019 [Resultat]: Nach den Wahlen 2019 müsste es so aussehen: SVP 2, SP 1+1, FDP 1, GPS 1, CVP 1. (Der Sitz der SVP geht an die Grünen)
UPDATE 2023 [Resultat]: Nach den Wahlen 2023 müsste sich der Bundesrat nach meinem Konzept wie folgt zusammensetzen: SVP 2+1, SP 1+1, FDP 1, Mitte 1 (Da die Grünen unter die 10% fallen, fällt ihr Anspruch weg. Die SVP kann mit dem zweitbesten Einer einen Sitz dazugewinnen.

Print Friendly, PDF & Email
This entry was posted in Politik and tagged , , , . Bookmark the permalink.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.