Die Mär von der Euro-Untergrenze

Wir erinnern uns:

 

Die gegenwärtig massive Überbewertung des Schweizer Frankens stellt eine akute Bedrohung für die Schweizer Wirtschaft dar und birgt das Risiko einer deflationären Entwicklung.

Die Schweizerische Nationalbank strebt daher eine deutliche und dauerhafte Abschwächung des Frankens an. Sie toleriert am Devisenmarkt ab sofort keinen Euro- Franken-Kurs unter dem Mindestkurs von 1.20. Die Nationalbank wird den Mindestkurs mit aller Konsequenz durchsetzen und ist bereit, unbeschränkt Devisen zu kaufen.

Quelle: SNB, 06.09.2011

Seit September 2012 (!) hat sich der Euro zwischen 1.20 und 1.26 eingependelt und liegt aktuell bei 1.22. Daraus folgen die Fragen:

  • Wie “akut” (siehe Definition nach Duden) ist die Bedrohung für die Schweizer Wirtschaft heute noch?
  • Wieso ist die Schweizer Wirtschaft überhaupt gefährdet, wenn wir doch mehr in den Euroraum exportieren als importieren? Dazu die aktuellsten Zahlen:
    “Die Schweiz ist eines der weniger Länder, mit denen die EU einen Handelsüberschuss erwirtschaftet. Schweizer Unternehmen kauften im Jahr 2013 Güter im Wert von 108 Milliarden Euro von EU-Staaten – 74 Prozent aller Einfuhren. […] Die Eidgenossen exportierten dagegen nur 90 Milliarden Euro in die EU – das sind 55 Prozent aller Schweizer Exporte. Im Jahr 2000 waren es noch 63 Prozent gewesen.” (Quelle: DWN)
    Wenn wir mehr importieren als exportieren, hat die Volkswirtschaft doch als Ganzes ein Interesse daran, möglichst günstig zu importieren, oder nicht?
  • Hat die SNB reüssiert, wenn sie eine “deutliche und dauerhafte Abschwächung des Frankens” angestrebt hat? Zum Zeitpunkt der Bekanntgabe lag der Eurokurs bei 1.10. Ist die oben genannte Bandbreite genügend?
  • Wieso hat sie nur eine Untergrenze gegenüber dem Euro ausgerufen, nicht aber gegenüber dem USD? Das macht ja keinen Sinn, wenn man den Franken als Währung gesamthaft abschwächen will, oder?
  • Wo bleibt das Risikomanagement bezüglich Euro? Immerhin sind rund die Hälfte der Währungsreserven von 443 Mia. in Euro angelegt. Zum Vergleich: Gold steht per September 2013 mit 40 Mia. in den Büchern der SNB.
  • Was zum Teufel ist an Deflation schlecht? Ich kenne keinen Konsumenten, der nicht dankbar ist für tiefere Preise und besserer Qualität. Niemand würde heute auf Milch verzichten, wenn er in einem Jahr die Milch günstiger bekäme..!

Was für ein Bär tragen wir hier ständig mit uns, der uns einst von der SNB aufgebunden wurde? Es wird Zeit, mit dieser Mär aufzuhören.

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1 Response to Die Mär von der Euro-Untergrenze

  1. Beda Düggelin says:

    Obwohl deine aufgeworfenen Fragen nicht unberechtigt sind, ist die Antwort naheliegend, zumindest von Seiten der SNB:

    1. Die Schweizer Wirtschaft ist und war nicht bedroht, aber die CHF/EUR Untergrenze diente als Abwehrmassnahme und als konzertierte Aktion zusammen mit den EU-Ländern, unserem klar wichtigsten Handelspartner.
    2. Die CH-Wirtschaft ist und war nicht gefährdet, aber das Jammern der Exportwirtschaft war wirksam, die SNB hat reagiert und betrieb Wirtschaftsförderung für die Exportindustrie und “Artenschutz”. Damit ist sie auch für eine gewisse Strukturerhaltungspolitik verantwortlich.
    3. Die deutliche und dauerhafte Abschwächung des CHF ist eine Fiktion, der CHF wird mittel- und langfristig weiter stärker werden, die wirtschaftliche Entwicklung und die Stabilität des Landes sprechen weiterhin für die Schweiz.
    4. Der Euro ist für die SNB und die Schweiz klar die wichtigere Währung und nur die Oeleinkäufe werden hauptsächlich in USD abgewickelt. Ein USD/CHF Wechselkurs könnte die SNB nicht verteidigen, da die Geldströme aufgrund der internationale Kapitalmärkte zu gross wären und der USD zudem zuviel Eigendynamik mitbringt.
    5. Das Risikomanagement der SNB beinhaltet ein signifikantes Risiko…” Die Chance, dass die hohen Eurodevisenbestände einst wieder einmal abgebaut werden können, ist so gross wie die Chance, dass durch die Politik der Notenbanken in den USA und Europa (EZB) die Staatsschulden einst wieder abgebaut oder zumindest auf ein verträgliches Niveau zurückgefahren werden könnten, z.n. 50 % von den heutigen Beständen.
    6. Deflation ist nur so lange gut, als sie unter Kontrolle gehalten werden kann und dies ist ein schwieriges Unterfangen. Heute scheint sie unter Kontrolle zu sein, weil jedermann diese “D”-Wort nicht auszusprechen vermag. Wir leben bereits in einer Deflation, nur an den Börsen herrscht noch Inflation! Deflation bedeutet Überkapazitäten à gogo, dies führt zu Lageraufbau, Drosselung der Produktion, Abbau von Arbeitsplätzen und einer starken Schrumpfung der Wirtschaft, schliesslich führt sie zu einer Panik und keiner freut sich mehr darüber, dass er die Milch billiger kaufen kann, weil er sich vielleicht nicht einmal mehr die Milch leisten kann….Auf Investitionsgüter würde aber sehr wohl verzichtet, wenn man wüsste, dass man diese Güter in einem Jahr 30 % billiger erwerben könnte, sofern man dann bei einer “galoppierenden Deflation” noch abschätzen kann, ob man sich überhaupt das Produkt zu einem späteren Zeitpunkt noch leisten kann und will.

    Der Verzicht auf die CHF/EUR Untergrenze könnte einen wachstumsdämpfenden Effekt auf die Schweizer Wirtschaft auslösen und auch das Einwanderungsproblem abschwächen, aber niemand spricht heute von qualitativem Wachstum…..
    Wenn morgen die SNB den Entscheid kundtun würde, schrien die Vertreter der Exportwirtschaft Zeter und Mordio, hundertmal lauter als nach dem 9. Februar 2014!

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