Liebe FDP, wie soll das zusammenpassen?

Anfang April hat die FDP ihre Position zur Armee bekräftigt (Quelle: FDP.ch):

FDP.Die Liberalen fordert gut ausgerüstete und ausgebildete Armee

Doch was danach steht, widerspricht sich, ist unlogisch, inkonsistent oder lässt mehr Fragen offen. Ein Versuch einer Analyse.

Kernauftrag der Armee bleibt die Landesverteidigung – auch gegen die neuen Formen der Bedrohung wie Attacken übers Internet oder Terrorismus.

1) Attacken übers Internet
Mal unter uns, liebe FDP: Wie soll die Armee das Land vor “Attacken übers Internet” schützen? Nicht einmal die Bundesbehörden schaffen es, ihren Mitarbeitern beizubringen, dass sie gefälligst nicht auf Links in suspekten E-Mails klicken sollen… Stehen an der Grenze, von wo die grossen Datenleitungen ins Nachbarland führen, Soldaten, die alle bits und bytes mit einem “Halt – Militär – sind Sie eine Attacke?” prüfen? Und fliegt die Luftwaffe bei den Satelliten vorbei, welche die Daten übermitteln? Wie steht es um WLAN und Handy-Netze, welche über die Grenze reichen?

Soweit mir bekannt ist, soll die “cyber defence” als fünf Eckpfeilern bestehen:

  • Dissuasion (Abschreckung)
  • Prävention
  • Antizipation
  • Intervention
  • Schutz (v.a. technisch)

Von “Counter-Attack” ist also erst gar nicht die Rede. Das mag zwar zu einer defensiv aufgestellte Armee passen, aber die Waffen der Gegenseite in Hinter-X-stan können so sicher nicht ausgeschaltet werden.

Weiter müsste man sich fragen, wo denn im Armeebericht eben diese Einheiten aufgeführt sind, die hier kämpfen sollten.

2) Terrorismus
Die Abwehr von Terror geschieht für mich in erster Linie politisch (Prävention). Hier hilft die Neutralität. Als Zweites folgt der Nachrichtendienst (Antizipation). Es folgen die Polizeikräfte für den Fall der Intervention und die zivilen Massnahmen (Schutz). Das Ganze sollte zur Dissuasion beitragen.

Wie soll hier die Armee einen Beitrag leisten? Wenn, dann doch nur für den Schutz von kritischer Infrastruktur. Doch das wäre dann wieder die “Unterstützung für zivile Sicherheitsbehörden” und somit nicht Teil der Landesverteidigung. Oder wie hat sich das die FDP vorgestellt?

3) Landesverteidigung als Kernauftrag
Wenn die Landesverteidigung Kernauftrag wäre, müssten dann die eigentlichen Verteidigungskräfte nicht den grössten Teil der Armee ausmachen? In der von der FDP favorisierten Variante “100’000 Mann” sind jedoch nur gerade 1/5 für die Verteidigung vorgesehen. Viel grösser – 50’000 Mann – sind für “Unterstützungsaufgaben” vorgesehen. Wie ist diese Diskrepanz zu erklären?

Verbessert werden muss zweitens die Unterstützung für zivile Sicherheitsbehörden im Krisenfall.

4) Unterstützung für zivile Sicherheitsbehörden
Was lief denn bis jetzt schief? Hat die Armee nicht alle ihre Aufträge von Seiten der zivilen Behörden erfüllt? Was stellt sich die FDP dabei vor? Schutz durch bewaffnete, geschützte Verbände? Zivilschützer? Securitas?

Auszubauen ist drittens die internationale Zusammenarbeit und Friedensförderung.

5) International
Super – man will etwas ausbauen für das es sogar heute schon zu wenig Freiwillige gibt, der Nutzen eher kontrovers diskutiert wird und die aus dem Kosovo zurückkehrenden Soldaten nicht auf eine grosse Nachfrage nach ihrem (auf dem Balkan erworbenen) Talent stossen.

Wo soll denn noch mehr zusammengearbeitet werden? Die Luftwaffe trainiert schon über der Nordsee. Haben wir denn Lücken?

Entsprechend befürwortet die FDP eine gut ausgerüstete Milizarmee mit einem aktiven Bestand von 100’000 Angehörigen.

6) Konklusion
“Entsprechend”? Wo ist hier die logische Herleitung dieser Zahl? Wo definiert die FDP die genauen Leistungsparameter, die zu einer solchen – aus der Luft gegriffenen – Zahl führen?

Die FDP ist bereit, die dafür nötigen Mittel einzusetzen, damit die Armee für die Gefahren von heute gerüstet ist. Das mögen auch mehr Mittel sein als die bisherigen 4,4 Milliarden – nämlich maximal 5 Milliarden […]

7) Gefahren von heute
Wie bitte? Wir diskutieren hier doch die Armee, welche ab 2015 realisiert werden soll. Wieso dann “Gefahren von heute”? Wäre es nicht besser, die Armee für die Gefahren von morgen aufzustellen und auszurüsten?

Natürlich kann man nicht alle Gefahren der Zukunft korrekt vorhersagen. Doch ich vermute, dass nicht einmal die Gefahren von heute erfasst werden. Stattdessen ist man dann in ein paar Jahren überrascht, wenn die aus den Löcher kriechenden Experten wieder voller Inbrunst ins Mikrophon sagen, dass auch diese Krise natürlich schon lange erwartet wurde – eine Warnung sollte man aber auch heute nicht von diesen Primadonnas erwarten.

8 ) Finanzielles
Es ist zu begrüssen, dass die FDP der Armee mehr Geld geben will. Doch sie sagt nichts, ob sie auch die “Anschubfinanzierung” (=”Ausgaben für das Erreichen des Initialzustands” [im Jahr 2020!]) in der Höhe von CHF 6,2 Mia. unterstützt. Die würden (über die Jahre bis 2020 verteilt) zu den vom VBS ausgerechneten CHF 5,1 Mia. für die Variante 100’000 Mann hinzukommen. Pro Jahr wäre das also rund CHF 1 Mia.

Wenn man davon aus geht, dass diese 100’000er-Armee wirklich 5,1 Mia. kostet, die FDP hingegen nur 5 Mia. geben will, wäre die “neue” Armee bereits wieder jährlich um CHF 100’000’000 (=100 Mio.) unterfinanziert! Damit sind wir wieder beim ursprünglichen Grundübel, mit dem die A XXI heute kämpft.

Wie soll da eine “gut ausgerüstete Milizarmee” möglich sein? Wie kann so eine “glaubwürdige” Milizarmee entstehen? Wenn schon so viele Fragen offen sind, wieso weiss dann die FDP bereits, wie viele Soldaten es benötigt? Wie kann die FDP hier “glaubwürdig” sein?

Fazit
Über solche PR-lastigen Beiträge kann ich definitiv nur noch den Kopf schütteln! Wo bleiben die selbsternannten Strategen und Sicherheitsexperten dieser Partei? In der FDP haben sie sicher nicht an dieser Mitteilung mitgearbeitet. Und wenn doch, dann sind diese nun ihrer Unfähigkeit überführt.

Es wird Zeit, dass sich die einst staatstragende Partei auf ihre Wurzeln zurückbesinnt!

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3 Responses to Liebe FDP, wie soll das zusammenpassen?

  1. Stelzer Willy P. says:

    Ausgezeichneter Beitrag, mutig und klar. Es ist an der Zeit, dass man die einst staatspolitisch tragende Partei an ihre Aufgabe erinnert.

  2. KampCaspar says:

    Was erwartest Du von einer Partei, die sich überall ins Unendliche verzettelt? … und mit ihrem Markenkern – Liberalität – so gut wie nichts und dann höchstens sehr einseitig was zu tun hat?

    Aus der ‘grossen’ FDP kann gar nichts anderes mehr kommen…

  3. Franz Betschon says:

    In mehr als 10 Jahren hat die FDP CH gerade mal ein Allerweltspositionspapier (16.7.07) zum Thema “Armee” publiziert. Bis zur Ära Villiger besass die FDP CH eine parteieigene Militärkommission, die eine geballte Ladung an militärischer Sachkompetenz umfasste. In ihr sassen nicht nur die parlamentarischen Mitglieder der Militärkommissionen (heute Sipol K) sondern auch Milizmitglieder, die aus irgendwelchen Gründen über sipol Fachwissen vefügten, ja sogar Angehörige des VBS. Seit längerer Zeit braucht die FDP CH dieses Fachwissen nicht mehr und lässt Postionspapiere offenbar von irgendwelchen Sekretären verfassen.
    Noch am 19. Januar 2011 legte der Generalsekretär die FDP Bruppacher in einer fulminanten Rede in Herisau die politische Strategie der FDP CH im Wahljahr 2011 dar. Dabei fiel nicht ein einziges Mal das Wort “Sicherheitspolitik”. Später habe ich ihn darauf aufmerksam gemacht und seither erfolgt offenbar der Versuch, hier Terrain zurückzugewinnen nach dem Motto “ferner führen wir auch noch im Sortiment”. Es ist leider so, dass nur die Linke eine klare Armeepolitik verfolgt, nämlich deren Abschaffung. Nicht nur die FDP sondern auch die CVP und die SVP drücken sich um eine klare Stellungnahme im Sinne von Giardino, ziemlich sicher, weil sie gar nicht mehr über das nötige sicherheitspolitische Fachwissen verfügen und weil sie sich nicht die Hände schmutzig machen wollen. Nicht nur von der FDP sondern auch von allen anderen bürgerlichen Parteien (Inkl. SVP) wird Giardino also bis auf Weiteres die nötige Unterstützung bekommen.
    Der Schreibende ist seit 40 Jahren FDP-Mitglied, war Gründungsmitglied einer Ortspartei, 12 Jahre Ortsparteipräsident und fast 20 Jahre Mitglied einer FDP-Kantonalparteileitung. Er gedenkt nicht auszutreten, weil ihm die Freundschaft einiger Personen daselbst noch etwas wert ist. Aber ansonsten….

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