Mehrwertsteuer-Befreiung für Anlage-Edelmetalle

Im Frühling hat Nationalrat Lukas Reimann (SVP/SG) in Bern eine Motion zur Befreiung von Anlage Edelmetallen von der Mehrwertsteuer eingereicht. Neben der eingereichten, kurzen Version gibt es auch noch eine etwas ausführlichere:

Antrag:

Der Bundesrat wird beauftragt, das Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer (MWSTG) so zu ändern, dass sowohl Gold (Feinheit minimal 995/1000) wie auch Silber (Feinheit 999/1000), Platin und Palladium (Feinheit 999,5/1000) in Münzen- oder Barrenform von der Mehrwertsteuer befreit sind oder die Bestimmungen gemäss Art. 107 lit. 2 MWSTG im gleichen Sinne angepasst werden.

Begründung:

Nach Art. 1 MWSTG bezweckt die Steuer “die Besteuerung des nicht unternehmerischen Endverbrauchs im Inland”. Der Bund erhebt die Steuer auf “gegen Entgelt erbrachte[n] Leistungen”.

Weder Silber noch Gold in Münzen- oder Barrenform werden für einen “Endverbrauch” gekauft. Beide Anlageformen dienen allein der Werterhaltung. Diese Eigenschaft ist seit mehreren Tausend Jahren bekannt und hat sich nicht geändert. Ein Verbrauch (Nutzung für technische Erzeugnisse) ist nicht vorgesehen, da der Preis für diese Produkte gegenüber anderen Angeboten zu hoch ist. Beide Metalle werfen keine Dividenden oder Zinsen ab. Daher kann ein “Gebrauch” und eine “Nutzung” nach Art. 3 lit. d ausgeschlossen werden.

Beim Handwechsel von Gold- bzw. Silbermünzen oder -barren wird keine Leistung in Rechnung gestellt und kein Entgelt von Käufer zu Verkäufer entrichtet. Der Preis wird täglich international festgelegt (London Fixing). Ein Gewinn entsteht nur, wenn der Verkäufer die Münzen und Barren zu tieferem Preis eingekauft hat. Kursgewinne sind jedoch bei Privatpersonen von der Steuer befreit.

Beim Handel mit Gold- und Silbermünzen bzw. -barren wird kein “Mehrwert” nach Art. 18 MWSTG generiert. Es wird nichts an den Eigenschaften (Gewicht, Form, Zusammenstellung, Prägung, Reinheit) der Münzen und Barren geändert. Eine Unze Silber (z.B. “American Eagle”, Maple Leaf”) bleibt eine Unze Silber.

Die Schweiz hat kein Abkommen mit der EU unterzeichnet, welche vorschreibt, dass Gold- und Silbermünzen und -barren der MWST unterstellt sein müssen. Die Schweiz kann eigenständig darüber entscheiden.

Deutschland plant eine Erhöhung der MWST auf Anlagesilber per 1.1.2014 von 7% auf 19%. Ein Anreiz zum Schmuggeln besteht hier künftig genauso wie bei anderen Produkten mit unterschiedlichem MWST-Satz. Allerdings ist dies nicht das Problem der Schweiz, sondern Deutschlands.

In anderen Euro-Ländern bleibt ein reduzierter MWST-Satz auf Silber bestehen (z.B. Niederlande 6%). In Estland wird bereits heute keine MWST auf Silber erhoben.

In Singapur wird Anlagegold und Anlagesilber genau wie Aktien und Festverzinsliche Wertpapiere mehrwertsteuerfrei gehandelt. Man will Silber und Gold gegenüber anderen Anlageformen nicht benachteiligen. Auf Aktien, Sparbücher, Bausparverträge und Rentenpapiere falle ja auch keine Mehrwertsteuer an, warum soll man dann Geldanlagen in Silber oder Gold mit einer “Strafsteuer” wie der Mehrwertsteuer belegen, wurde in Singapur argumentiert. Auch in den USA wurden ähnliche Vorstösse in den Staaten (z.B. Kentucky) eingereicht. Der globale Trend geht hin zur MWST-befreitem Gold und Silber.

Das weltweite physische Angebot von Gold und Silber hat sich in den letzten Monaten dramatisch verringert. Die “US Mint” musste im Januar und Februar 2013 nach nur wenigen Tagen den Verkauf von “Silver Eagles” einstellen. Besonders Silber gilt als Schlüsselrohstoff für die Solarindustrie. Es ist daher nicht im Interesse der Schweizer Industrie, diesen kritischen Rohstoff (z.B. für Solarpanels) einer zusätzlichen finanziellen Belastung zu unterstellen. Die heimische Clean-Tech-Industrie kann so gefördert werden.

Wie der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 18.05.2011 zur Motion 11.3303 ausführt, betragen die Einnahmen aus der MWST auf Silber in Münzen- und Barrenform in Silberboomjahren bis 40 Mio. Franken. Das sind 0.064% der Bundeseinnahmen 2010 – ein vernachlässigbarer Betrag.

Der Bundesrat hat darauf geantwortet und beantrag die Ablehnung der Motion. Gehen wir also einmal die Argumente durch, welcher der Bundesrat ins Feld führt.

Im ersten und zweiten Absatz umschreibt der Bundesrat den Istzustand, der ja mit der Motion geändert werden soll. Er verweist ausserdem auf EU-Recht, welchem die Schweiz aber nicht untersteht.

In Absatz drei vergleicht der Bundesrat (bzw. die Verwaltung) die Handhabung in den umliegenden Ländern und kommt zum Schluss, dass von keinem “globalen Trend” gesprochen werden kann. Interessanterweise hört die Globalität an den Grenzen der EU auf…

Der Schmuggel in die EU soll bei einer MWST-Befreiung sehr attraktiv werden. Dass dieser sowieso attraktiv ist, wenn die Schweizer MWST mindestens 7%, wenn nicht sogar über 10% unter dem EU-Wert liegt, scheint den Bundesrat nicht zu kümmern.

Das sei ausserdem ein Problem für die Schweiz. Über die Gründe für diese Behauptung schweigt der Bundesrat.

Der beste und zugleich unlogischste Absatz folgt aber gegen Schluss. Er wurde schon früher ins Feld geführt. Es lohnt sich, ihn zu zitieren und mehrmals zu lesen:

Silber, Platin und Palladium sind ausserdem wichtige Rohstoffe für die schweizerische Industrie. Eine mit der spekulativen Anlage in diese Edelmetalle verbundene Verknappung und Preissteigerung, welcher durch einen Verzicht auf Besteuerung Vorschub geleistet würde, liegt nicht im Interesse des Werkplatzes Schweiz.

Der Bundesrat ist also der Meinung, dass infolge der Aufhebung der Schweizer MWST auf Silber, Platin und Palladium, die globale (!) spekulative Nachfrage nach diesen Edelmetallen so stark zunehmen könnte, dass eine globale (!) Verknappung des Angebots folgt und die globalen (!) Preise so stark steigen würden, dass unsere Industrie daraus einen Nachteil erfahren würde? Mit Verlaub, das ist ökonomischer Unfug höchsten Grades!

Ziehen wir mal eine Parallele zum Benzinverbrauch: Nach der Logik des Bundesrates steigen die globalen (!) Benzinpreise nur deshalb nicht schneller, weil der Schweizer Bundesrat mit Steuern auf Treibstoffe dafür sorgt, dass die Nachfrage in der Schweiz nicht zu sehr steigt… Hier überschätzt sich der Bundesrat doch ganz leicht…

Im letzten Absatz legt der Bundesrat dem Motionär etwas in den Mund:

Zudem haben zahlreiche Produkte sowohl Anlage- als auch Dekorations- und Sammlerwert und werden also mit einem Aufpreis zum Edelmetallwert verkauft.

Darum geht es ja genau nicht! Es geht um “Anlage-Edelmetalle” in Münzen oder Barrenform!

Zum Schluss beweist der Bundesrat, dass eine Befreiung von Platin, Palladium von der MWST nur sehr geringe Ausfälle in der Bundeskasse zurfolge hätte. In “Boomjahren” würden die Ausfälle gegen CHF 40 Mio. betragen. Das sind 0.064% der Bundeseinnahmen 2010.

Die Schweiz ist international ein sehr bedeutender Umschlag- und Raffinerieplatz für Edelmetalle. Mit einer MWST-Befreiung kann diese Branche weiter an Bedeutung gewinnen. Die daraus resultierenden Mehrumsätze und -gewinne werden wiederum in Bern landen. Längerfristig kann es sich durchaus für den Bund lohnen, auf die MWST auf Silber, Platin und Palladium zu verzichten.

Fazit:
Die Argumente des Bundesrates sind schwach.

  1. Er kann nicht widerlegen, dass beim Kauf von Anlage-Edelmetallen ein zu besteuernder “Mehrwert” besteht. Das Argument des Motionärs ist stichhaltig.
  2. Es gibt kein Abkommen mit der EU, der eine eigenständige Aufhebung verunmöglichen würde. Wir können also selbst entscheiden.
  3. Der Trend zur MWST-Befreiung konnte nicht widerlegt werden.
  4. Zwischen dem Schweizer MWST-Satz und jener der umliegenden Länder bleibt auch ohne Befreiung ein erheblicher Unterschied. Der Schmuggel bleibt als Problem bestehen.
  5. Der Bundesrat konnte nicht darlegen, wieso der Schmuggel aus der Schweiz in die Nachbarländer für die Schweiz ein Problem darstellt.
  6. Die Einnahmenausfälle betragen jährlich (in “Boom-Jahren”) etwa CHF 40 Mio. Das sind 0.064% der Bundeseinnahmen 2010. Dem gegenüber stehen die zusätzlichen Steuereinnahmen von Edelmetallhändler. Volkswirtschaftlich spricht alles für eine Aufhebung.
  7. Der ökonomische Ausflug des Bundesrates in Angebot/Nachfrage und Preisfindung ist lächerlich und falsch.

Die Motion ist anzunehmen!

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